Elena Pallantza

Wir haben gefragt, Elena Pallantza hat geantwortet. Am 20.10. ist sie Teil des Panels „Brückenbauer“, gemeinsam mit Jorgos Kartakis (GR), Adrian Kasnitz (DE) und Jan Kuhlbrodt (DE). 

An welchem Projekt arbeitest du gerade?

Oh, an mehreren gleichzeitig. Meine Projekte sind überwiegend Kooperationen und überkreuzen sich meistens. Gerade übersetze ich mit meinem Übersetzerkreis LEXIS einen lyrischen Monolog von Jannis Ritsos ins Deutsche, wie auch den ersten Gedichtband einer jungen griechischen Dichterin, die in Deutschland aufgewachsen ist. Zugleich arbeite ich an einer Anthologie junger deutscher Dichter*innen für einen Athener Verlag und an einem griechischen Filmprojekt zu Hölderlins „Tod des Empedokles“, bei dem ich als Übersetzerin und Dramaturgin involviert bin. Das klingt erstmal ziemlich bunt und zusammengewürfelt, doch in dieser Vielfalt fühle ich mich zu Hause. Sie entspricht meinem Bedürfnis, die Dinge stets von verschiedenen Seiten zu betrachten, sind doch Schreiben und Übersetzen nichts Anderes als eine dauernde Übung im Perspektivenwechsel.

 

Als in Athen Geborene, später aber u.a. wohnhaft in Freiburg, Bonn und Köln interessiert uns: Hat die Stadt, in der du dich befindest, Einfluss auf deine Tätigkeit als Autorin bzw. Übersetzerin?

Ja, jede einzelne und alle zusammen! Raum ist – wie auch die Zeit – eine der Grunddimensionen eines Textes. Er verleiht unserer fragmentarischen Biographie einen Rahmen. Der Rhythmus einer Stadt geht in den Rhythmus des Schreibens über und, umgekehrt, der Schreibende versucht, seinen eigenen subjektiven Rhythmus in den Rhythmus der Stadt einzubetten. Wechseln wir die Orte, verändern sich auch unsere Worte. Oft wurden Texte, die ich in einer Stadt zu schreiben begann, einem massiven Temperaturwechsel ausgesetzt, als ich sie woanders zu Ende schrieb. Aber spätestens seit Kavafis wissen wir, dass die Städte uns folgen. Dann überlappen sich die Bilder der Stadt, die wir in uns tragen, mit denen der Stadt, in der wir leben. Es entstehen Zwischenräume, in die sich, wie Michel de Certeau sagt, eine kreative Vielfältigkeit hineinschleicht. In einem Zwischenraum zu sein, kann zu unvorhersehbaren Ergebnissen führen.

Du übersetzt sowohl vom Griechischen ins Deutsche als auch umgekehrt. Fällt dir eine der beiden Bewegungen leichter?

Ich bin zwar nicht genuin zweisprachig, aber in meinem Kopf spielt sich seit Jahrzehnten ein sprachliches und kulturelles Ping-Pong zwischen Griechenland und Deutschland ab. Der Ausgang jeder Partie bestimmte früher die Richtung, in die ich übersetzte. Inzwischen lebe ich so viele Jahre hier, dass mir das Switchen leichter fällt. Es ist nicht mehr mit Verlustgefühlen belastet, es ist sogar gut für mein Gleichgewicht. Ist die Zielsprache einer Übersetzung Griechisch, meine Muttersprache, fühle ich mich nach wie vor im sicheren Terrain; zumindest bilde ich mir ein, dass ich das Ergebnis selbstständig beurteilen kann. In die andere Richtung suche ich den Austausch mit Muttersprachlern. Die Arbeit mit meinen Studenten im Übersetzerkreis LEXIS ist in dieser Hinsicht eine großartige Erfahrung. Es kommt mir vor, als lernte ich dabei von Anfang an, wie deutsche Wörter nicht nur klingen, sondern auch riechen oder schmecken. Ich erfinde mir sprachlich eine Art deutsche Kindheit, die ich natürlich niemals hatte.

 Das Diskussionspanel, an dem du teilnehmen wirst, heißt „Brückenbauer“. Sprach- und länderübergreifende Kooperationen sollen diskutiert werden. Welche „Brücke“ ist dir in diesem Zusammenhang am wichtigsten?

Ich denke dabei vor allem an alte Bogenbrücken, weil sie von beiden Seiten zugleich gebaut werden. In neue kulturelle Landschaften gesetzt. Ιch denke an transdisziplinäre Kooperationsprojekte über die Grenzen hinweg als Chance für nachhaltige Veränderungen. Ich denke an Kunst und Literatur als Antidot gegen Misstrauen, Trennlinien, Stereotypen, Angst. Und ich denke auch an die Notwendigkeit, gegen zunehmende Europaskepsis den Zusammenhalt in Europa zu stärken und insbesondere dabei an das kulturelle Verhältnis von Deutschland und Griechenland, das geradezu symbolisch dafürsteht, weil die tiefe Verbundenheit zwischen den beiden Ländern in den ältesten Grundlagen der europäischen Identität wurzelt. Doch momentan gibt es eher neue Gräben, und es gilt, Ressourcen zu reaktivieren und neue Konzepte des Miteinanderagierens zu formulieren. Da sind Brückenbauer*innen von beiden Ufern wichtiger denn je.

Wir freuen uns auf spannende SYN_ENERGY-Tage!