Adrian Kasnitz

Interview mit Adrian Kasnitz in der freitag. Er ist Mitherausgeber des Lyrikbands „Kleine Tiere zum Schlachten – Neue Gedichte aus Griechenland“ und am 20.10. Teil des Panels „Brückenbauer“, gemeinsam mit Jorgos Kartakis (GR), Jan Kuhlbrodt (DE) und Elena Pallantza (DE/GR).

[…] Viel wichtiger ist, dass in Griechenland ein ästhetischer Aufbruch in verschiedenen künstlerischen Sparten zu spüren ist. Am deutlichsten ist dies im griechischen Film – man denke an Filme wie Dogtooth von Giorgos Lanthimos oder Attenberg von Athina Tsangari. Da gibt es plötzlich eine neue Generation, die griechisches Kino auf einem internationalen Niveau macht. In der Poesie ist das vielleicht vergleichbar. Da hat sich eine Generation entwickelt, die nicht nur an der griechischen Tradition hängt. Klar, die Einflüsse der Tradition sind da – es gibt die antike Tradition sowie viele griechische Nobelpreisträger. Doch diese neue Generation setzt sich viel stärker mit Texten auseinander, mit denen wir uns auch hier beschäftigen. Das hat vielleicht mit Krise zu tun, in dem Sinn, dass das Alte aufbricht und neue Freiräume besetzt werden können. Aber ich sehe es viel positiver, ich glaube, dass die Öffnung zum einen mit der größeren Rezeption von Übersetzungen internationaler Literatur in Griechenland zusammenhängt und zum anderen mit der Intensivierung internationaler Vernetzung der Dichterszene.

Die Texte im besagten Band sind politisch, feministisch, zeugen aber auch von Energie und ästhetischem Aufbruch.

[…] Wir haben da versucht zu mischen, um nicht so ein düsteres Buch zu machen. Teilweise haben wir sehr politische Texte in der Anthologie, wie zum Beispiel von Jazra Khaleed oder Lenia Safiropoulou, die sich explizit mit der Flüchtlingsthematik auseinandersetzen. Dann haben wir auch poetische Texte ausgesucht, wie zum Beispiel das Gedicht Wolken von Phoebe Giannisi. Man kann vieles auch feministisch lesen. Wir haben viele weibliche Autoren reingenommen, die feministische Ansätze haben und sich mit Macht und Gewalt in Alltagsbeziehungen beschäftigen. Das Abtreibungsgedicht von Pavlina Marvin ist so ein Beispiel. Aber der Band fängt mit Die Füchsin von Katerina Iliopoulou an, das als eine Art Liebesgedicht einer Frau gelesen werden kann.

Der Titel „Kleine Tiere zum Schlachten“ stammt von einem Gedicht von Orfeas Apergis. Wieso dieser Titel?
Die dystopische Stimmung des Buches hat mich dazu verleitet. Ich denke da auch an das Coverbild der Anthologie: diese endlose Athener Betonwüste, in der die Menschen wie Miniaturen erscheinen. Sie sind kleine Tiere, deren Schicksale von wenigen Mächtigen entschieden werden. Kleine Tiere, die gemolken oder geschlachtet werden können. In dem Gedicht von Orfeas Apergis ist davon die Rede, dass ein Opfer gebracht werden muss. So wie die einfachen kleinen Leute, die gerade die Leidtragenden in dieser Krise sind, geopfert werden.